Themenschwerpunkte

Impingement, Kalkschulter, Rotatorenmanschettendefekt und Frozen Shoulder – die meisten dieser Diagnosen nehmen den Status einer Volkserkrankung ein. Dennoch ist die fachgerechte Behandlung häufig eine interdisziplinäre Herausforderung, denn die Schulter ist einerseits unser anspruchsvollstes Gelenk und anfällig für Verletzungen und Verschleiß, andererseits liegen keinesfalls für alle genannten Diagnosen evidenz- oder gar leitlinienbasierte Behandlungsempfehlungen vor. Einen Überblick über Krankheitsbilder und Verletzungen, die themenmäßige Schwerpunkte innerhalb unseres Netzwerkes sind, finden Sie hier.

> Impingement

Das Impingement ist die am häufigsten gestellte Diagnose im Bereich der Schulter und bezeichnet eine mechanische Enge an definierter Stelle. Am häufigsten findet sich ein Impingement im Subakromialraum, wobei eine operative Erweiterung des Subakromialraumes nur bei Nachweis einer knöchernen Einengung des sog. subakromialen Outlet und/oder begleitenden Sehnenschäden erfolgen sollte. Daten aus der Literatur belegen darüber hinaus die gute Effektivität von angeleiteten Eigenübungen zur Kräftigung der Kopfdepressoren und Optimierung der Skapulakinematik.

> Kalkschulter

Bei der Kalkschulter kommt es zur Ablagerung von Kalksediment in die Rotatorenmanschette, die Ursachen sind unbekannt. Der Nachweis gelingt im Röntgenbild oder Ultraschall, die Beschwerden ähneln häufig denen des subakromialen Impingements. Der akute Schub wird meist erfolgreich mit einer lokalen Kortisoninjektion gelindert. Mittelfristig kann eine Stoßwellenbehandlung durchgeführt werden, diese wird derzeit allerdings nicht von den gesetzlichen Versicherern übernommen. Bestehen die Beschwerden über einen längeren Zeitraum als 6-9 Monate hinweg, können verbliebene Kalkdepots arthroskopisch entfernt werden.

> Frozen Shoulder

Die Frozen Shoulder verläuft definitionsgemäß in unterschiedlichen Phasen, die sich hinsichtlich Schmerzintensität und Bewegungseinschränkung voneinander unterscheiden. Die Behandlung sollte entsprechend den Stadien adaptiert erfolgen, d.h. dass operative Maßnahmen und auch ein Aufdehnen der verklebten Gelenkkapsel durch den Physiotherapeuten im Stadium der akuten Inflammation nicht oder nur mit großer Zurückhaltung zum Einsatz kommen sollten. Initial hat sich die lokale, d.h. intra-artikuläre oder systemische Gabe von Kortikosteroiden unter Beachtung der jeweiligen Kontraindikationen bewährt. Trotz der oft langwierigen Verläufe ist der gutmütige Charakter der Frozen Shoulder als sog. selbstlimitierende Erkrankung hervorzuheben.

> Rotatorenmanschette

90% aller Läsionen der Rotatorenmanschette sind degenerativ bedingt. Die Indikationsstellung richtet sich neben biologischem Alter und Funktionsanspruch des Patienten nach der Größe der Läsion, dem Ausmaß der Retraktion sowie dem Verfettungs- und Hypotrophiegrad des anhängenden Muskels. Bei erhaltener Rekonstruktionsfähigkeit wird bei entsprechenden Beschwerden, gegebenem Anspruch und adäquatem Patientenalter eine operative Versorgung angestrebt, wobei die Nachbehandlung aufwendig ist. Die Technik der Rekonstruktion unterliegt seit einigen Jahren einer steten Diskussion. Aktuell stehen arthroskopische Techniken mit Fadenankern im Fokus, wobei der Vorteil einer mehrreihigen Fixation nicht gesichert scheint. Auch offene Techniken mit einer transossären Refixation scheinen noch eine Berechtigung zu haben. Bei nicht rekonstruierbaren Defekten sind differenzialtherapeutisch Sehnenverlagerungen, Patchplastiken, das Plazieren subakromialer Ballonsysteme oder der Gelenkersatz mit einer inversen Prothese möglich.

> Gelenkersatz

Ein symptomatischer Verschleiß des Schultergelenkes gelangt in den Industriestaaten in gravierend geringerem Umfang zur Operation als an Hüfte und Knie. Dennoch hat sich der Gelenkersatz an der Schulter in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt, sodass die Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der Standzeiten, der Prothetik von Hüfte und Knie ebenbürtig sind. Liegt eine Indikation zum Gelenkersatz vor, richtet sich die Auswahl der Prothese individuell nach dem vorliegenden Krankheitsbild, dem Zustand der Rotatorenmanschette und der Gelenkpfanne sowie dem Patientenalter. Für die verschiedenen Prothesentypen liegen inzwischen belastbare Daten zu Ergebnissen, Komplikationen und Standzeiten vor.

> Schulterinstabilität

Die Erstluxation der Schulter kann unter Einhaltung definierter Kriterien konservativ behandelt werden. Bei jungen und sportlich aktiven Menschen mit nachgewiesenen strukturellen Schäden in der Bildgebung sollte eine operative Stabilisierung erfolgen, da das Risiko weiterer Folgeluxationen hierdurch gesenkt wird. Die arthroskopische Stabilisierung stellt den zeitgemäßen Standard dar, wobei in offener Technik vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. Bei Patienten mit rezidivierenden Luxationen ist die Indikation zum knöchernen Aufbau des Glenoids zu prüfen. Die sog. habituelle Instabilität ohne vorausgegangene Verletzung stellt nicht selten eine interdisziplinäre Herausforderung dar, operative Optionen spielen dabei eine untergeordnete Rolle.

> Sportlerschulter

Nach jahrelangem Wurf- oder Überkopfsport kommt es zu spezifischen Anpassungsvorgängen der Schulter. Durch eine Verlagerung des Drehzentrums wird zunächst die Ausholbewegung optimiert, in der Summe kann jedoch eine gestörte Kinematik durch lokale Kontraktur bzw. Relaxation der Kapsel resultieren. Neben einer eingeschränkten Innenrotationsfähigkeit beklagen die Sportler häufig Symptome eines internen oder auch posterosuperioren Impingements. In der Bildgebung ist nach artikularseitigen Schäden der Supraspinatussehne und am Bizepsankerkomplex zu suchen, wobei ggf. Spezialsequenzen in der MRT und eine intra-artikuläre Kontrastmittelgabe hilfreich sein können. Solange die Diagnostik ohne Nachweis struktureller Schäden bleibt, ist die Erkrankung Domäne der konservativen Behandlung.

> Humeruskopffraktur

Der Bruch des Oberarmkopfes ist die dritthäufigste Fraktur des menschlichen Skeletts und bis heute das Sorgenkind der Frakturversorgung. Instabile und verschobene Brüche werden meist operativ stabilisiert, allerdings sind die Komplikationsraten auch unter Verwendung moderner winkelstabiler Implantate hoch. Die Ergebnisse der Frakturprothetik bleiben selbst nach Einführung inverser Prothesen für die Frakturversorgung durchaus problematisch. Einige Zentren propagieren daher jüngst einen Paradigmenwechsel hin zu einem verstärkten konservativen Vorgehen, allerdings sind die vorliegenden Fallzahlen aus internationalen Studien klein und ein evidenzgestütztes Vorgehen bislang nicht in Sicht.

> Schultereckgelenkverletzung

Die Therapieentscheidung ist wesentlich anhand der Rockwood-Klassifikation zu stellen. In der Literatur besteht Konsens, dass die höhergradigen Läsionen vom Typ IV-VI operativ behandelt werden. Hier konkurrieren bewährte Verfahren wie z.B. die Hakenplatte mit modernen Anker- und Flaschenzugsystemen. Letztere können arthroskopisch instrumentiert werden, sind in der Anwendung allerdings technisch anspruchsvoll und erfordern eine differenzierte Nachbehandlung. Anders als die Hakenplatte erfordern sie keine Materialentfernung. Ist die Verletzung älter als vier bis sechs Wochen, sollte nach aktuellem Stand der Bandapparat durch autologes Sehnentransplantat verstärkt werden.

> Rehabilitation

Die Rehabiliitation leistet in der konservativen Behandlung bzw. der Nachbehandlung nach Unfall oder Operation einen wichtigen Beitrag, entsprechend sind in den vergangenen Jahren  die wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema erheblich intensiviert worden. So konnte z.B. gezeigt werden, dass eine gestörte Kinematik des Schulterblattes, die eine Entstehung des Impingement bis hin zum Auftreten von Defekten der Rotatorenmanschette begünstigen kann und eine wichtige Rolle bei Problemen der Sportlerschulter sowie der habituelllen Instabilität spielt, z.B. durch ein EMG gestütztes Autofeedback wirksam adressiert werden kann. Im gleichen Zuge sind die Bemühungen um ein verbessertes Verständnis präventiver Möglichkeiten vorangetrieben worden, denen künftig in der gesamten Medizin eine Schlüsselrolle zukommen dürfte.